Daten speichern mit Spiropyran

Untersuchungen zur optischen Datenspeicherung auf Basis molekularer Schalter


Ein Molekül gleich ein Bit – das ist der Traum vieler Forscher angesichts rasant steigender Datenmengen. Hierfür wurden die Isomere Spiropyran und Merocyanin, die sich durch das Licht bestimmter Wellenlängen ineinander überführen lassen, mit spektralfotometrischen Verfahren untersucht, um Aussagen über die Kinetik der Gleichgewichtsreaktion zu treffen.

„2020 wird die Menge aller weltweit vorhandenen Daten (in Bit) 57 mal so groß sein, wie die Summe der Sandkörner aller Strände dieser Erde“[4]. Diese Aussage mag zunächst etwas reißerisch anmuten, doch sie veranschaulicht den immensen Anstieg der weltweit vorhandenen Daten, welcher mit der fortschreitenden Technisierung einhergeht. Um diesen riesigen Datenmengen gerecht zu werden, besteht die Notwendigkeit, ein adäquates Speichermedium zu entwickeln. Dieses muss in erster Linie eine möglichst hohe Informationsdichte aufweisen, gleichzeitig jedoch auch haltbar, wiederbeschreibbar und effizient sein. Eine vielversprechende Möglichkeit mit großem Potenzial ist die Konstruktion optischer Datenträger auf Basis molekularer Schalter. Falls es gelingen sollte, derartige Schalter-Moleküle zu stabilisieren bzw. zu optimieren und somit für die Datenspeicherung nutzbar zu machen, käme dies einem Umbruch in der gesamten Speichertechnik gleich. Die organischen Verbindungen der Spiropyrane stellen solche Schalter-Moleküle dar. In dieser Arbeit wurden die grundlegenden Schalter-Eigenschaften eines einzelnen Spiropyran- Derivats untersucht (siehe Abb. 1), weswegen in der Arbeit der Einfachheit halber von Spiropyran und Merocyanin gesprochen wird. Zudem wurde ein Modell entwickelt, das in Ansätzen eine Datenspeicherung auf Spiropyran- Basis möglich macht. Des Weiteren liefert dieses Modell einen Ausblick, wie Daten in Zukunft gespeichert werden könnten. [4, 7, 8]

Nach einer ausführlichen Literaturrecherche wurde der Schwerpunkt der Arbeit auf die Untersuchung der Gleichgewichtsreaktion von Spiropyran und Merocyanin sowie deren Kinetik gesetzt.

Durch Temperaturregulation oder Bestrahlung mit Licht bestimmter Wellenlängen kann Spiropyran in sein Isomer Merocyanin überführt werden und umgekehrt. Da es sich um eine Gleichgewichtsreaktion handelt, läuft auch immer die jeweilige Rückreaktion ab. Erst wenn es gelingt, die Isomere durch gezielte Wahl der äußeren Bedingungen zu stabilisieren, kommt Spiropyran als potenzieller Datenspeicher in Frage. Der Fokus der Forschungen wurde darauf gerichtet, Erkenntnisse über die Stabilität und die Stabilisierungsmöglichkeiten eines potenziellen Datenspeichers zu gewinnen, um so eine verlässliche Aussage bezüglich dessen Effizienz treffen zu können. Außerdem wurde das Ziel gesetzt, ein Modell zu entwickeln, das mithilfe einfacher Techniken in der Lage ist, geringe Datenmengen zu speichern. Dabei sollte es sich aber nur um ein Modell handeln, um zu veranschaulichen, wie die zukünftige Datenspeicherung aussehen könnte. [1, 2, 7, 8, 10]

Das Thema der optischen Datenspeicher spielt spätestens seit der Erfindung der CD-ROM eine wesentliche Rolle in unserem alltäglichen Leben. Bedingt durch die begrenzte Speicherkapazität einer CDROM ist die kontinuierliche Entwicklung neuer Datenträger mit höherer Informationsdichte Gegenstand der aktuellen Forschung. Das seit jeher angestrebte Ziel stellt die Speicherung eines Bit durch jeweils ein Atom dar. Erfindungen wie DVD und Blue-Ray sind zwar große Erfolge, doch vom eigentlichen Ziel sind sie noch weit entfernt. Derzeit wird ein breites Spektrum an potenziellen Datenspeichern der Zukunft erforscht. Hier sind unter anderem auch molekulare Schalter (wie beispielsweise das Spiropyran-Merocyanin- Gleichgewichtssystem) in der Diskussion (siehe hierzu [7, 8, 10, 11, 12]). Die wohl größte Schwierigkeit besteht hierbei darin, dass bisher noch keine Möglichkeit besteht, beide Isomere endgültig zu stabilisieren. Aktuelle Forschungen setzen daher hauptsächlich an der Lösungsfindung dieses Problems an. [5, 7, 8]

Vereinfacht dargestellt ist ein molekularer Schalter ein Molekül, welches in zwei Isomeren vorkommt. Durch bestimmte äußere Einflüsse (wie z. B. Licht einer bestimmten Wellenlänge) lassen sich die Isomere, welche in einem Gleichgewicht vorliegen, gezielt ineinander überführen. Wie bereits beschrieben handelt es sich bei dem von uns untersuchten System um das Spiropyran-Merocyanin- Gleichgewicht (siehe Abb. 1).

Das Besondere in diesem Fall ist die Abhängigkeit der Gleichgewichtslage von einer Vielzahl von Einflussfaktoren. Hohe Temperatur und UV-Strahlung bewirken eine Gleichgewichtsverschiebung in Richtung des Merocyanins, wohingegen Weißlicht und niedrige Temperatur eine Spiropyranzunahme induzieren. In den Experimenten muss folglich strikt darauf geachtet werden, dass alle störenden, das Gleichgewicht beeinflussenden Faktoren eliminiert werden bzw. konstant gehalten werden, um so die Abhängigkeit von nur einem Faktor untersuchen zu können. Bei der Reaktion von Spiropyran zu Merocyanin handelt es sich, wie Abb. 1 verdeutlicht, um die UV-induzierte Öffnung einer Benzopyran-Struktur im Spiropyran-Molekül, wodurch das Ausmaß des Systems konjugierter Doppelbindungen zunimmt. Dies bewirkt auch die Farbigkeit von Merocyanin. Ein wichtiger Grundsatz der organischen Farbstofflehre besagt: „Die Wellenlänge der absorbierten Strahlung steigt mit zunehmender Länge des konjugierten Doppelbindungssystems.“ In Ethanol (als Lösungsmittel) ist Spiropyran farblos und Merocyanin weist eine violette bis purpurne Farbe auf, die sich auch mit dem Extinktionsmaximum von 540 nm deckt. [1, 2, 9, 10]

Für die Mehrzahl der Experimente wurde sich der spektralfotometrischen Analyseverfahren bedient. Daher sollen im Folgenden elementare Grundlagen bezüglich Aufbau und Funktionsweise eines Fotometers kurz erläutert werden. Im Fotometer wird das Licht einer Lichtquelle durch ein Prisma in seine einzelnen Spektralfarben aufgeteilt, sodass es möglich ist, monochromatisches Licht (Licht genau einer Wellenlänge) zu isolieren. Folglich kann Licht einer bestimmten Wellenlänge und Ausgangsintensität I0 erzeugt, durch eine Linse gebündelt und auf die Küvette mit der Probenlösung gestrahlt werden. Abhängig davon, wie stark das Licht von der Messprobe absorbiert wird, erfährt es eine unterschiedlich starke Abschwächung, bevor es dann auf eine Fotozelle (Detektor) trifft. Die auf der Fotoplatte auftreffende Lichtintensität I wird gemessen. Anhand der gemessenen Werte errechnet das Fotometer nun die Extinktion, welche als \(E\mathit\;\mathit=\mathit\;log\mathit\;\left(\frac{{\mathit I}_{\mathit0}}{\mathit I}\right)\mathit\:\) definiert ist.

Wie über die Extinktion und das Lambert- Beer’sche Gesetz Rückschlüsse auf z. B. die Konzentration des untersuchten Stoffes möglich sind, wird im experimentellen Teil dieser Arbeit näher erläutert.

Die Grundlage der Datenspeicherung bildet in unserem Modell der sogenannte ASCII-Code (American Standard Code for Information Interchange). 1963 das erste Mal eingesetzt, kommt dieser bei Codierungen, die auf mehreren Bits basieren, zur Anwendung. Der Code besteht aus 128 Zeichen, wobei 95 Zeichen druckbar sind und 33 nicht. Jedem Zeichen wird ein ganz spezielles Bitmuster aus 7 Bit zugeordnet, wobei jedes Bit in diesem Bitmuster 2 Werte annehmen kann, und zwar „aktiviert“ oder „inaktiviert“. Daraus ergeben sich 27 = 128 verschiedene Bitmuster (= Zeichen), die auch als die ganzen Zahlen 0 bis 127 interpretiert werden können.

In unserem Modell haben wir eine Erweiterung um ein Bit auf einen 8-Bit- Code vorgenommen, da unser Ausleseprogramm auf den ASCII-Code als 8-Bit-Code programmiert wurde. Dies stellt aus wissenschaftlicher Sicht kein Problem dar, da der ASCII-Code auch als achtstelliger Code verwendet werden kann. Dabei ergeben sich 28 = 256 verschiedene Bitmuster. Der eben genannte 8-Bit-Code wird jeweils durch eine Reihe von 8 Eppendorf-Cups® (siehe Abb. 14) dargestellt. Wie auch beim ursprünglichen Code kann jeder Eppendorf-Cup® jeweils zwei Werte annehmen („aktiviert“ und „inaktiviert“). Zusätzlich wird jedem Cup eine Wertigkeit zwischen 20 und 27 zugeordnet, welche in einer Zeile von links nach rechts abgelesen wird. Die Wertigkeiten aller „aktivierten“ Cups werden dann aufsummiert und die sich ergebende Zahl zwischen 0 und 127 dem entsprechenden Zeichen zugeordnet.

Anhand des Buchstaben S, dem die Zahl 83 zugeordnet ist, soll dieses Verfahren nun verdeutlicht werden:

Siehe Formel (1)

Durch eine Schablone werden gezielt einige Cups mit UV-Strahlung bestrahlt. Die dadurch bedingte Merocyanin-Bildung hat eine Farbänderung hin zum violetten Bereich zur Folge, wohingegen die von der Schablone verdeckten Cups farblos bleiben. Addiert man die Wertigkeiten aller farbigen (= „aktivierten“) Cups, so ergibt sich die Zahl 83. [4]

Um das Gleichgewicht von Spiropyran und Merocyanin sowie die Einfluss ausübenden Faktoren besser zu verstehen, haben wir zunächst eine Reihe von Vorversuchen durchgeführt. Hierzu wird reines Spiropyran in Ethanol (idealerweise ohne Wasseranteil) gelöst, sodass eine 0,003 mol/L Spiropyran-Lösung (Ausgangsprobe) entsteht. Diese wird nun in drei verschließbare Gläser (Schraubdeckelgläser) gefüllt, welche als Ausgangsproben für alle Versuche dienen. Die drei Gläser werden, um gleiche Ausgangsbedingungen zu schaffen, unter vollständiger Abdunklung gelagert (z. B. im unbeheizten Trockenschrank). Nun wird ein Glas mit UV-Strahlung der Wellenlänge 366 nm und ein weiteres Glas mit dem Licht einer Weißlicht-LED (kein UV-Anteil) bestrahlt. Es gilt zu beachten, dass ansonsten völlige Dunkelheit herrscht, um eine Verfälschung durch Lichtstrahlen anderer Strahlungsquellen sicher auszuschließen. Die dritte Probe verweilt im Dunkeln und dient als Referenz.

Zu Beginn weisen alle drei Proben dieselbe blass-rosa Färbung auf (siehe Abb. 2a), die aufgrund des thermischen Gleichgewichts zustande kommt. Probe 1 wird mit UV-Strahlung und Probe 3 mit Weißlicht (LED) bestrahlt. Probe 2 dient als farbliche Referenz. Die Proben 1 und 3 werden so lange bestrahlt, bis mit dem Auge keine farbliche Änderung mehr zu erkennen ist. Abb. 2b zeigt die Veränderungen: Probe 1 erfährt durch die UV-Strahlen eine Farbänderung hin zum tief-violetten Bereich, wohingegen Probe 3 vollständig entfärbt wird.

Merocyanin und Spiropyran liegen in einem chemischen Gleichgewicht vor. Der Versuch verdeutlicht die Einflüsse von Lichtstrahlen unterschiedlicher Wellenlänge. Während UV-Strahlen der Wellenlänge 366 nm einen deutlichen Überschuss an Merocyanin im Versuchsgefäß (zu sehen an der tief-violetten Farbe) hervorrufen, scheint das Licht der Weißlicht-LED das Gleichgewicht auf die Seite des Spiropyrans zu verlagern (Entfärbung der Probelösung). Schlussfolgernd lässt sich also sagen, dass das hier untersuchte Gleichgewicht nicht dem klassischen chemischen (thermodynamischen) Gleichgewicht entspricht, sondern vielmehr als fotochemisches Gleichgewicht zu charakterisieren ist. Durch eine Bestrahlung mit UV- bzw. Weißlicht lässt sich jeweils ein fotostationärer Zustand erzeugen, in welchem entweder das Merocyanin, oder aber das Spiropyran überwiegt.

Als nächster Aspekt wird der thermische Einfluss auf das Gleichgewicht bzw. die Kinetik der Reaktion untersucht. Ausgehend von Versuch 3.1 werden jeweils eine violette (mit UV-Licht bestrahlt) und eine farblose Probe (mit Weißlicht bestrahlt) im Eisfach bei ca. –12°C und bei Raumtemperatur (21°C) gelagert. Um einen verfälschenden Einfluss auf das Gleichgewicht zu verhindern, muss dieser Versuch unter Abdunkelung durchgeführt werden. Nach 96 Stunden werden alle vier Proben, sowie die Referenzprobe 2 aus Versuch 3.1 verglichen.

Die Proben 1 und 3 stammen aus dem Eisfach, die Proben 4 und 5 wurden bei Raumtemperatur gelagert und Probe 2 dient als (farbliche) Referenz. Es ist festzuhalten, dass die bei Raumtemperatur gelagerten Proben (4 und 5) eine farbliche Angleichung vollzogen haben. Beide sind nun blass-rosa und entsprechen farblich der Referenzprobe 2. Hingegen konnte bei den Proben aus dem Eisschrank (1 und 3) keine, bzw. nur eine leichte farbliche Angleichung beobachtet werden.

Der Erkenntnisgewinn dieses Experimentes beruht auf der Tatsache, dass die Temperatur maßgeblich die Geschwindigkeit der Einstellung des chemischen (thermodynamischen) Gleichgewichts von Spiropyran und Merocyanin beeinflusst. Durch vollständige Eliminierung jeglicher Licht- bzw. UV-Quellen wird ausschließlich der Temperatureinfluss auf die Gleichgewichtseinstellung betrachtet. Wenn nun die thermische Abhängigkeit betrachtet wird, muss unbedingt Wert auf eine strikte Trennung von Reaktionskinetik und Thermodynamik gelegt werden. Versuch 3.1 soll rein der Analyse der kinetischen Aspekte dienen, wohingegen die Thermodynamik in Versuch 3.2 näher betrachtet wird. Die Reaktionskinetik gibt Auskunft darüber, wie schnell eine Reaktion abläuft. Da die beiden Proben bei Raumtemperatur (4 und 5) innerhalb von 96 Stunden eine farbliche Annäherung vollziehen und optisch der Referenzprobe entsprechen, welche das thermodynamische Gleichgewicht bei Raumtemperatur verkörpert, kann davon ausgegangen werden, dass Probe 4 und 5 nach 96 Stunden im Gleichgewicht vorliegen. Dies ist offensichtlich bei Probe 1 und 3 nicht der Fall, da diese sich nach 96 Stunden farblich noch deutlich unterscheiden. Im Eisfach läuft die Einstellung des chemischen (thermodynamischen) Gleichgewichts deutlich langsamer ab, als bei Raumtemperatur. Zusammenfassend lässt sich festhalten: Je niedrigerer die Umgebungstemperatur, desto länger dauert die Einstellung des chemischen (thermodynamischen) Gleichgewichts. Gerade im Hinblick auf praktische Aspekte, wie die Haltbarkeit eines etwaigen späteren Datenspeichers, liefern diese Ergebnisse einen guten Ansatzpunkt.

Da alle weiteren Versuche auf spektralfotometrischen Analyseverfahren beruhen, gilt es zunächst das Spiropyran-Merocyanin- Gemisch entsprechend zu charakterisieren. Hierzu wird die Ausgangsprobe bei Raumtemperatur und unter Dunkelheit zunächst für einige Minuten mit LED-Weißlicht bestrahlt, um das fotochemische Gleichgewicht möglichst weit auf Seiten des Spiropyrans zu verschieben. Unter Zuhilfenahme des Fotometers wird ein UV-vis-Spektrum von 200 bis 800 nm aufgenommen (siehe Abb. 4, Messung 1). Nun wird die Probe für 10 Sekunden mit UV-Licht der Wellenlänge 366 nm bestrahlt und erneut ein Spektrum aufgenommen. Dann folgt wieder eine UV-Bestrahlung für 10 Sekunden. Das Procedere wird solange wiederholt, bis eine weitere UV-Bestrahlung keine weitere signifikante Erhöhung der Merocyaninkonzentration mehr zur Folge hat.

Abb. 4 zeigt die aufgenommenen Spektren: Messung 1 wurde direkt nach der Weißlichtbestrahlung aufgezeichnet. Der Reihe nach folgen Messung 2 bis 8. Es fällt auf, dass

  • die Extinktion im Bereich von etwa 450 bis 600 nm von Messung 1 bis 8 steigt,
  • die Maxima der Extinktion alle ungefähr bei 540 nm liegen
  • die maximale Extinktion von 3,28, bei der Messung 8 erreicht wird
  • alle Messungen recht ähnlich verlaufen.

Mit jeder UV-Bestrahlung der Probe steigt die Konzentration an Merocyanin. Da dieses im Bereich von 450 bis 600 nm absorbiert, steigt mit jeder Messung dort die Extinktion. Für alle weiteren Versuche gilt es zu berücksichtigen, dass Merocyanin (in Ethanol) bei einer Wellenlänge von etwa 540 nm sein Absorptionsmaximum aufweist. Die maximal durch UV-Strahlung erreichbare Extinktion liegt laut der Messung bei ca. 3,28. Hierzu sei jedoch erwähnt, dass bei Extinktionswerten, die 2 überschreiten, ungenaue Werte nicht ausgeschlossen werden können. Dies zeigt sich zum Beispiel im verrauschten Verlauf von Messung 8.

Die Spiropyrankonzentration lässt sich im vorliegenden Fall nur sehr schwer fotometrisch ermitteln, da Spiropyran sein Absorptionsmaximum im UV-Bereich aufweist. Bei einer ähnlichen Wellenlänge weist jedoch auch Merocyanin ein weiteres Absorptionsmaximum auf. Durch diesen Effekt kommt es zu einer Überlagerung der Absorptionen der beiden Stoffe (Maxima bei 300 – 400 nm), was eine Unterscheidung schwierig gestaltet.

Wie bereits thematisiert, muss auch der thermodynamische Einfluss der Temperatur auf das Gleichgewicht ins Auge gefasst werden. Im Gegensatz zur Kinetik, welche Auskunft über die Geschwindigkeit einer Reaktion gibt, besagt die Thermodynamik in welche Richtung eine Gleichgewichtsreaktion abläuft, oder in unserem Fall, die Auswirkungen der Temperatur auf die Lage des Gleichgewichts: Liegt es eher auf Seiten des Merocyanins oder des Spiropyrans?

Jeweils ein Glasgefäß mit der Ausgangsprobe wird in völliger Dunkelheit für einige Stunden in 21 °C, 35 °C und 60 °C warmes Wasser gelegt. Je kälter das Wasser ist, desto länger verbleibt die Probe darin. So wird gewährleistet, dass sich das chemische (thermodynamische) Gleichgewicht, welches bei der jeweiligen Temperatur vorliegt, einstellt. Nun wird bei einer Wellenlänge von 540 nm, dem Absorptionsmaximum von Merocyanin, eine Messung der Extinktion durchgeführt (siehe Tab. 1).

Mit steigender Temperatur verlagert sich das Gleichgewicht zunehmend auf die Seite des Merocyanins. Bedingt durch die steigende Merocyanin-Konzentration steigt die Extinktion bei 540 nm an. Im nächsten Schritt folgt die Ermittlung der Gleichgewichtskonstanten K bei den jeweiligen Temperaturen. Aus der Gleichgewichtsreaktion

Spiropyran ⇋ Merocyanin

lässt sich das Massenwirkungsgesetz ableiten:

\(K\:=\:\frac{c\;\left(Merocyanin\right)}{c\;\left(Spiropyran\right)}\)

Um die Gleichgewichtskonstante K bei einer bestimmten Temperatur zu berechnen, müssen die Konzentrationen sowohl von Spiropyran als auch Merocyanin bei dieser Temperatur bekannt sein. Unter Zuhilfenahme des Lambert-Beer’- schen-Gesetzes lassen sich die gesuchten Konzentrationen wie folgt bestimmen:

\(E\;=\;\varepsilon_{540}\;\cdot\;c\;\cdot\;d\)

Da die Schichtdicke d der Messküvette, sowie der dekadische Extinktionskoeffizient ε540 bei 540 nm stets unverändert sind, gilt für das Lambert-Beer’schen-Gesetz:

\(E\;=\;k\;\cdot\;c\)

mit dem konstanten Faktor k. Trägt man graphisch die Abhängigkeit der Extinktion E von der Konzentration (des Merocyanins) auf, so ergibt sich eine Gerade. Um diese exakt darzustellen, bedarf es zweier Punkte. Die Ausgangsprobe ist eine 0,003 mol/L Spiropyran-Lösung. Demnach beträgt die maximale Spiropyran-Konzentration 0,003 mol/L. Folglich ist in diesem Fall die Merocyanin- Konzentration gleich Null und somit ist auch die Extinktion gleich Null. Bei einer Extinktion von 3,28 wurde vereinfacht davon ausgegangen, dass das Gleichgewicht komplett auf Seiten des Merocyanins liegt, also alle Spiropyran- Moleküle in Merocyanin-Moleküle überführt wurden. Folglich beträgt die Merocyanin-Konzentration 0,003 mol/L. Diese Annahme ist jedoch stark vereinfacht und dient lediglich dem Ableiten einer Tendenz, da die Quantenausbeute in polaren Lösungsmitteln unter 0,5 liegt und die maximale Merocyanin- Konzentration von 0,003 mol/L niemals erreicht werden kann. Folglich sind die Zahlenwerte der bestimmten K-Werte nicht korrekt. Die Tendenzen und alle Folgeannahmen behalten jedoch ihre Gültigkeit.

Es ergibt sich eine Ursprungsgerade der Gleichung E = 10933,33 c. Misst man die Extinktion bei einer bestimmten Temperatur, erhält man die vorliegende Konzentration c an Merocyanin.

Die im Gleichgewicht vorliegende Konzentration an Spiropyran erhält man über

Siehe Formel (2)

und kann damit den Quotienten aus der Merocyanin- und Spiropyran- Konzentration, also K, berechnen (siehe Tab. 2).

Je höher die Temperatur, desto höher die Gleichgewichtskonstante des resultierenden chemischen (thermodynamischen) Gleichgewichts. Aus der Tatsache, dass mit steigender Temperatur auch die Gleichgewichtskonstante steigt, lässt sich folgern, dass mit zunehmender Temperatur das Gleichgewicht immer mehr auf Seiten des Produkts (hier Merocyanin) verschoben wird. Auch die steigende Extinktion verifiziert eine steigende Merocyanin-Konzentration. Da Le Chatelier zufolge im chemischen Gleichgewicht eine Temperaturerhöhung den Ablauf der endothermen Reaktion begünstigt, muss die logische Schlussfolgerung lauten, dass die Reaktion von Spiropyran zu Merocyanin endotherm (ΔH > 0) und die entsprechende Rückreaktion exotherm (ΔH < 0) ist.

Zusammenfassend lässt sich die Komplexität des vorliegenden Gleichgewichts betonen, dessen Lage durch die drei Variablen UV-Strahlung, LED-Weißlicht und Temperatur maßgeblich beeinflusst wird. Zusätzlich wirkt sich die Temperatur auch auf die Kinetik, sprich die Geschwindigkeit der Gleichgewichtseinstellung aus. Besonders für die Kinetik des Merocyanin- Zerfalls (vgl. 3.6), ist es wichtig anzumerken, dass, um die Abhängigkeit von einer Variablen zu ermitteln, die beiden anderen konstant gehalten werden müssen.

Den Voruntersuchungen folgt die Untersuchung der Kinetik des Merocyanin-Zerfalls bei unterschiedlichen Temperaturen.

Es wird wieder die Ausgangsprobe mit der 0,003 mol/L Spiropyran-Lösung verwendet. Das Labor muss für die gesamte Dauer dieses Experiments vollständig abgedunkelt werden, um Strahlungseinflüsse auf das Spiropyran-Merocyanin- Gleichgewicht auszuschließen.

Ein Tauchsieder bringt das Wasser in der Wanne auf die gewünschte Temperatur. Daraufhin wird das Probengefäß so in der Halteklammer befestigt, dass sich die Probenlösung vollständig unter der Wasseroberfläche befindet, aber das Glas noch etwas aus dem Wasser ragt (siehe Abb. 5). Nach 10 Minuten hat die Probenlösung die gewünschte Temperatur erreicht (nachgewiesen mit Thermometer). Nun wird für 10 Minuten die UV-Lampe angeschaltet und die Probe mit UV-Strahlen der Wellenlänge 366 nm bestrahlt. Durch eine regelmäßige Erschütterung der Halteklemme alle 2,5 Minuten wird eine Durchmischung und somit eine homogene Bestrahlung der Probenlösung erreicht. Nach Ende der Bestrahlung wird die Probe aus dem Wasser genommen, sorgfältig abgetrocknet und im Fotometer auf ihre Extinktion (bei λ = 540 nm) hin untersucht, bevor sie dann wieder ins Wasserbad zurückgeführt wird. Hierdurch wird eine konstante Temperatur der Probenlösung über die gesamte Versuchsdauer gewährleistet (per Thermometer überprüft). Dieser Vorgang der Extinktionsbestimmung wird in regelmäßigen Abständen einige Male wiederholt. Die Häufigkeit der Messungen sowie die gesamte Dauer des Experiments müssen jeweils an die Temperatur angepasst werden.

Für unser Experiment haben wir die Kinetik des Merocyanin-Zerfalls bei 30 °C, 35 °C, 40 °C, 45 °C, und 50 °C untersucht. Bei der Messung bei 30 °C haben wir über einen Zeitraum von 52,5 Minuten exakt alle 2,5 Minuten die Extinktion bestimmt. Durch eine Erhöhung der Temperatur wird, wie bereits in 3.2. gezeigt, der Merocyanin-Zerfall beschleunigt. Daher waren wir gezwungen, das Messintervall mit steigenden Temperaturen auf bis zu 50 Sekunden (Messung bei 50 °C) zu senken, um ausreichend verlässliche Werte zu erhalten.

Abb. 6 bis Abb. 10 zeigen die gemessenen Extinktionen in Abhängigkeit der Zeit. Für alle Versuche gilt, dass die Extinktion mit zunehmender Zeit abfällt. Da die Extinktion bei einer Wellenlänge von 540 nm, also dem Bereich in welchem Merocyanin maximal absorbiert, gemessen wurde, ist die sinkende Extinktion auf die sinkende Merocyaninkonzentration zurückzuführen. Durch die zehnminütige UV-Bestrahlung wurden nahezu alle Spiropyran-Moleküle in der Probenlösung in Merocyanin überführt. Wird die Lampe nun ausgeschaltet, ist mehr Merocyanin vorhanden, als dies rein thermodynamisch bedingt der Fall wäre. Folglich läuft die Rückreaktion zum Spiropyran ab; das chemische (thermodynamische) Gleichgewicht für die jeweilige Temperatur beginnt sich einzustellen. Je höher die Temperatur, desto schneller geht die Gleichgewichtseinstellung vonstatten. Die Graphen in Abb. 6 bis 10 lassen zunächst einen exponentiellen Zerfall vermuten. Aus diesen Graphen kann die jeweilige Geschwindigkeitskonstante k, sowie die Aktivierungsenergie EAbestimmt werden, die benötigt wird, um Merocyanin in Spiropyran (und umgekehrt) zu überführen.

Nun wird untersucht, ob sich die Zeitabhängigkeit der Extinktion durch eine Exponentialfunktion E(t)=Eo ∙ e(–k ∙ t) (Reaktion erster Ordnung) beschreiben lässt. Dazu wird der Logarithmus naturalis gebildet:

\(\ln(E)\;=\;\ln(E_0)\;–\;k\;\cdot\;t.\)

Erhält man beim Auftragen von ln (E/E0) gegen die Zeit eine Gerade, die die Ordinate bei 0 schneidet und die Steigung k aufweist, dann liegt eine Reaktion erster Ordnung vor. k ist dann die Geschwindigkeitskonstante der Reaktion des Merocyanin- Zerfalls bzw. der Spiropyran- Bildung.

Abb. 11 zeigt die ln(E/E0)-Werte für die Messung bei 40 °C. Der sich ergebende Graph verläuft zunächst linear, bevor er dann abflacht. Diese Tatsache rührt daher, dass kein exponentieller Zerfall vorliegt, bei dem die Merocyanin- Konzentration sich immer langsamer der Null nähert, sondern eine exponentielle Abnahme, bei der die Merocyanin- Konzentration (dargestellt durch die Extinktion) gegen einen bestimmten Grenzwert (vgl. Merocyanin- Gleichgewichtskonzentration) konvergiert.

Dieser Grenzwert ist ebenjene Konzentration, welche aus der Einstellung des chemischen (thermodynamischen) Gleichgewichts resultiert. Von weiterem Interesse ist der linear verlaufende Teil des Graphen, da aus dessen Steigung die Geschwindigkeitskonstante k resultiert. Der Graph wird dementsprechend verkürzt, bis eine ausreichende Linearität gewährleistet werden kann. Als Entscheidungskriterium haben wir uns auf ein Bestimmtheitsmaß (R2) der Trendgerade von mindestens 99,63 % geeinigt. Tab. 3 zeigt die ermittelten Werte.

Nun wird die Aktivierungsenergie berechnet, die benötigt wird, um Merocyanin anzuregen und in Spiropyran zu überführen. Hierzu betrachten wir die Arrhenius-Gleichung:

\(k\;=\;A\;\cdot\;e\;^{-\frac{E_A}{R\;\cdot\;T}}\)

bzw. die logarithmierte Form

\(\ln(k)\;=\;\ln(A)\;–\;\frac{E_A}R\;\cdot\;\frac1T\)

Der Arrheniusgraph (siehe Abb. 12), bei dem ln(k) gegen den Kehrwert der Temperatur aufgetragen wird, liefert eine Gerade, die die Ordinate bei ln(A), dem Logarithmus naturalis des präexponentiellen Faktors, schneidet und aus deren Steigung sich die Aktivierungsenergie EA berechnen lässt.

Die gesuchten Parameter können nun aus der Geradengleichung ermittelt werden. Die Eulersche Zahl potenziert mit dem y-Achsenabschnitt (31, 34) liefert den präexponentiellen Faktor A (Produkt aus Orientierungsfaktor und Stoßzahl): A = 4,0812 ∙ 1013 1/s. Die Aktivierungsenergie erhält man durch die Multiplikation des Betrages der Geradensteigung mit der universalen Gaskonstante (8,314 J/(mol ∙ K)). Die Aktivierungsenergie, die man Merocyanin zuführen muss, um es so anzuregen, dass es zu Spiropyran reagiert, beträgt demnach 97.506,76 Joule pro Mol bzw. 97,51 kJ/mol.

Basierend auf unseren Ergebnissen haben wir ein Modell zur optischen Datenspeicherung entwickelt. Dieses liefert einen Ausblick auf Aufbau und Funktionsweise eines zukünftigen Datenspeichers.

In eine Grundmatrix, bestehend aus Styrodur® (20 cm x 20 cm), werden im regelmäßigen Abstand 64 Eppendorf-Cups® eingelassen. Diese 64 Cups sind auf eine quadratische Grundfläche mit acht Reihen und acht Spalten verteilt (siehe Abb. 13).

Die Plattendicke wird so gewählt, dass die Cups bündig mit der Plattenoberseite abschließen und unten ein kleiner Teil herausragt. Diese Cups werden mit derselben Spiropyran-Lösung befüllt, wie sie auch in den vorherigen Experimenten verwendet wurde.

Basierend auf dem ASC-II Code wird eine Schablone angefertigt, die auf die Oberseite der Platte gelegt wird. Aussparungen in der Schablone ermöglichen die gezielte Bestrahlung einzelner Cups bei Anschalten einer UV-Lampe. Die bestrahlten Cups erfahren durch die UV-induzierte Merocyanin-Bildung eine Farbänderung hin zum violetten Bereich. Aufgrund der geringen Schichtdicken genügt eine relativ kurze Bestrahlung von 20 Sekunden, um die Lösung zu färben. Wenn man die Platte nun umdreht, werden die Enden der Cups, die aus der Platte ragen, sichtbar und man ist in der Lage, die gefärbten Cups von den ungefärbten Cups zu unterscheiden (siehe Abb. 14). Es gilt zu beachten, dass die Schablone spiegelverkehrt angefertigt werden muss, damit der Code nach dem Drehen der Platte von links nach rechts zu lesen ist.

Des Weiteren haben wir mit Excel ein Programm entwickelt, das uns das geeignete Bitmuster zu jedem beliebigen Zeichen liefert, aber auch in der Lage ist, mithilfe eines Fotometers ein Bitmuster auszulesen und das zugehörige Zeichen anzuzeigen. Diese Methode ist zwar noch relativ umständlich, verdeutlicht jedoch, dass unser Modell mithilfe der geeigneten Auslesetechnik durchaus digitalisierbar ist.

Die spektralfotometrische Methode des Auslesens ist für unser Modell zwar sehr gut geeignet, muss auf molekularer Ebene jedoch durch ein anderes Verfahren ersetzt werden. Potenzielle Kandidaten könnten hier beispielsweise Verfahren wie die Röntgenstrukturanalyse oder die NMR-Spektroskopie sein.

Führen wir, basierend auf dem von uns entwickelten Modell, ein kleines Gedankenexperiment durch: Die von uns verwendeten Eppendorf-Cups® sind noch recht groß; in Gedanken verkleinern wir sie immer weiter, bis ein einzelner Cup gerade noch groß genug wäre, um ein Molekül Spiropyran zu fassen. Die Folge wäre eine Art Monolayer-Modell, sprich eine Grundmatrix, in welche eine genau ein Molekül dicke Spiropyran- Schicht eingelagert wäre. Auch diese einzelnen Moleküle könnten theoretisch durch die Absorption adäquater Lichtquanten die Ringöffnung bzw. den Ringschluss vollziehen und gezielt in die Merocyanin- bzw. Spiropyran-Form überführt werden. Indem nun einer der beiden Formen eine „0“ und der anderen eine „1“ zugeordnet würde, ließen sich – basierend auf einem Binärcode – Daten speichern. Ein Molekül würde hierbei für ein Bit codieren.

Um Rückschlüsse auf die Speicherkapazität zu ziehen, gehen wir bei unserem zukünftigen Datenspeicher von der Größe einer handelsüblichen CD-Rom aus, welche eine beschreibbare Oberfläche von etwa 100 cm2 aufweist. Laut Literatur haben große Moleküle einen Durchmesser von ca. 10–9 m. Ein Molekül würde demnach eine Fläche von (0,5 ∙ 10–7 cm)2 ∙ π = 7,85 ∙ 10–15 cm2 einnehmen. Folglich würden auf den Datenspeicher 1,27 ∙ 1016 einzelne Moleküle passen, bzw. 6,37 ∙ 1015 Moleküle, wenn zwischen den Molekülen jeweils ein „Ein-Molekül- Abstand“ eingehalten werden würde. Da jedes Molekül jeweils die Datenmenge von einem Bit (0 oder 1) codiert, hätte der gesamte Datenspeicher ein totales Speichervolumen von 6,37 ∙ 1015 Bit oder umgerechnet (1 Byte = 8 Bit) 7,96 · 1014 Byte (= 795 Terabyte). Die Speicherkapazität einer „Spiropyran-CD“ würde damit die einer handelsüblichen DVD (4,7 Gigabyte) nahezu um den Faktor 200.000 überschreiten. Es gilt jedoch zu betonen, dass diese Rechnung nur näherungsweise einen groben Ausblick auf das Potenzial, welches in der Konstruktion optischer Datenträger auf Basis molekularer Schalter steckt, liefern soll. Bis Schreib- und Lesetechnik ausgereift genug sind, um einzelne Moleküle anzuregen und auch auszulesen, ob diese in Merocyanin- oder Spiropyran-Form vorliegen, ist noch sehr viel Forschungs- und Entwicklungsarbeit vonnöten. Im Gegensatz zur „Stoff-Ebene“ wird auf molekularer Ebene zusätzlich das Problem zu lösen sein, dass das Beschriften und Auslesen nicht mehr mit Licht möglich sein wird. Hier müssen andere Verfahren gefunden werden. [6]

Ein weiteres Problem stellt die zielgenaue Platzierung und Fixierung der einzelnen Moleküle in der Grundmatrix dar. Vorerst bleibt die Entwicklung eines solchen Speichers noch eine Vision, doch die Kapazität eines solchen Datenspeichers wäre nahezu unerschöpflich und würde wohl der rasant steigenden Menge an Daten gerecht werden können.

Ein weiteres großes Problem sehen wir in der Stabilität des Datenspeichers, denn Spiropyran und Merocyanin liegen im fotochemischen Gleichgewicht vor. Es werden demnach ständig spontan Moleküle von der einen in die andere Form übertreten. Um die dauerhafte Haltbarkeit der gespeicherten Daten zu gewährleisten, muss es also gelingen, die einzelnen Spiropyran- bzw. Merocyanin-Moleküle so zu stabilisieren, dass keine spontane Isomerisierung bzw. Gleichgewichtsverschiebung mehr möglich ist. Gleichzeitig muss die Überführung durch UV-Strahlung/ LED-Weißlicht allerdings noch möglich sein, um die (Wieder-)Beschreibbarkeit des Datenspeichers zu gewährleisten. Aus unserem Experiment zur Lichtabhängigkeit lässt sich folgern, dass jegliche störenden Strahlungseinflüsse von außen zu eliminieren sind. Demnach wäre daran gelegen, den zukünftigen Datenspeicher mit einer für Strahlung undurchlässigen Hülle zu verkleiden (wie es auch bei Festplatten der Fall ist).

Wie unser Experiment zur Kinetik verdeutlicht, besteht in der Kühlung eine Möglichkeit zur „Einfrierung“ von unerwünschten Gleichgewichtsverschiebungen. Allerdings stellt sich hier die Frage, ab welcher Temperatur eine ausreichende Stabilität gewährleistet werden kann. Bei der von uns gewählten Temperatur von –12°C haben die Proben innerhalb von 4 Tagen keine nennenswerte, mit dem Auge erkennbare, farbliche Angleichung vollziehen können. Weitere Hinweise liefert hier auch die quantitative Untersuchung der Kinetik des Merocyanin-Zerfalls: Die Aktivierungsenergie um Merocyanin in Spiropyran zu überführen liegt bei 97,51 kJ/mol. Aus unserer Untersuchung der Thermodynamik geht hervor, dass dies eine exotherme Reaktion ist. Die Energie für die elektronische Anregung des Spiropyrans, um Spiropyran in Merocyanin zu überführen, muss folglich größer sein. Demnach müsste der Datenspeicher soweit heruntergekühlt werden, dass keinem Merocyanin-Molekül mehr die Aktivierungsenergie für den Übergang zu einem Spiropyran- Molekül zur Verfügung steht. Tatsächlich gewährleistet werden kann dies rein theoretisch jedoch nur am absoluten Nullpunkt (–273,15 °C).

Um eine verlässliche Aussage treffen zu können, ab welcher Temperatur die Kühlung ausreicht, um eine Speicherung der Daten über Jahre (oder Jahrwelzehnte) zu garantieren, haben wir das nachfolgende mathematische Modell entwickelt:

Die erhaltenen Werte für die Aktivierungsenergie und den präexponentiellen Faktor setzen wir in die Arrhenius- Gleichung ein:

\(k\;=\;4,0812\;\cdot\;10^{13}\;\cdot\;e\;^{-\frac{97.506,76}{\;R\;\cdot\;T}}\)

Für die Reaktionsgeschwindigkeit des Merocyanin-Zerfalls gilt:

v = k · c (Merocyanin).

Für die Konzentration setzen wir den Reziprokwert der Avogadro-Konstante ein, da für die hypothetischen Datenspeicher die Stabilität eines einzelnen Teilchens von Belang ist. Durch Multiplikation mit der Avogadro Konstante formen wir im nächsten Schritt die Einheit der Konzentration von mol/L in Teilchen/L um. Durch das Eliminieren der Volumenvariable ergibt sich eine Formel, welche jeder Temperatur in Kelvin eine bestimmte Zerfallsgeschwindigkeit in Teilchen/Sekunde zuordnet. Abb. 15 zeigt das Ergebnis.

Mithilfe dieses Modells lässt sich nun für jede beliebige Temperatur die Zerfallsgeschwindigkeit berechnen. Auch die temperaturspezifische Geschwindigkeitskonstante k kann für jede Temperatur durch die obige Formel bestimmt werden. Somit können wir nun auch Aussagen über Temperaturbereiche treffen, deren experimentelle Untersuchung uns nicht möglich war. Mit sinkender Temperatur konvergiert die Zerfallsgeschwindigkeit gegen Null. Bei 280 K liegt bereits eine sehr geringe Zerfallsrate vor, was sich mit unseren Ergebnissen deckt.

Bei einer Kühlung auf ca. 200 K würde es statistisch 22.000 Jahre dauern, bis ein einziges Teilchen zerfallen wäre. Demnach ist, kontinuierliche Kühlung vorausgesetzt, eine Speicherung der Daten über sehr lange Zeiträume durchaus möglich.

Allerdings darf auch der Aspekt der Wirtschaftlichkeit und Effizienz nicht aus den Augen verloren werden, welcher mit zunehmender Kühlung immer stärker negativ ins Gewicht fällt.

Weitere Ansätze zur Stabilisierung der Moleküle liegen darin, dies durch ein anderes Lösungsmittel zu erwirken oder durch Substitution des Restes, welcher am Stickstoffatom des Spiropyrans hängt. Hier bieten sich breite Forschungsfelder für die Wissenschaft.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass wir Grundlagenforschung betrieben haben und weiterführende Erkenntnisse gewinnen konnten, welche bei der Beurteilung von Möglichkeiten der Konstruktion optischer Datenträger auf Basis molekularer Schalter (Spiropyran-Merocyanin-System) weiterhelfen. Abschließend kann man also sagen, dass bezüglich der Speicherkapazität sehr großes Potenzial in Spiropyran (oder molekularen Schaltern im Allgemeinen) liegt. Um jedoch tatsächlich einen massentauglichen Datenspeicher bauen zu können, muss vor allem das Problem der energieeffizienten Stabilisierung zufriedenstellend gelöst werden. Auch die Technik, um solche Datenspeicher zu beschriften bzw. auszulesen, muss noch deutlich weiterentwickelt werden. Ob die Forschung also tatsächlich in der Lage sein wird, zeitnah alle Probleme zu lösen und ob Spiropyran in Zukunft in der Datenspeicherung Verwendung finden wird oder nicht, bleibt ungewiss.

Unseren besonderen Dank möchten wir StR Jürgen Kopp aussprechen, unserem Projektbetreuer. Unermüdlich hat er uns z. T. bis spät in die Nacht beim Experimentieren unterstützt. Er hat uns mit Rat und Tat zur Seite gestanden und uns stets fachkompetent weitergeholfen. Wir hatten sehr viel Freude am Forschen und konnten durch diese Arbeit interessante Einblicke in die Welt des experimentellen Arbeitens gewinnen. Insbesondere war es für uns eine recht neuartige Erfahrung, den ganzen Tag in einem vollständig abgedunkelten Labor zu verbringen. Trotz einiger Rückschläge haben wir uns nicht entmutigen lassen und sind sehr froh, diese tollen Erfahrungen gemacht zu haben.

[1] Tausch, Michael & von Wachtendonk, Magdalene: Chemie 2000+, Sekundarstufe II, Bamberg 2007

[2] Praxis der Naturwissenschaften – Chemie: Heft 1/40; 15.01.1991; Seiten 34–36, Aulis Verlag.

[3] Wikipedia (2017): American Standard Code for Information Interchange. https://de.wikipedia.org/wiki/American_Standard_Code_for_Information_Interchange. (Letzter Zugriff: 19.11.2015)

[4] Welt (2013): Datenvolumen verdoppelt sich alle zwei Jahre. Internet: https://www.welt.de/wirtschaft/webwelt/article118099520/Datenvolumen-verdoppelt-sich-alle-zwei-Jahre. html. (Letzter Zugriff: 10.11.2015).

[5] Wikipedia (2017): DVD. Internet: https://de.wikipedia.org/wiki/DVD#cite_note-refByte-1. (Letzter Zugriff: 09.11.2015).

[6] Flad (2013): Optische Datenspeicherung mit Hilfe molekularer Schalter. Internet: http://www.chf.de/benzolring/2013/chemietage08. html (Letzter Zugriff: 28.08.2015)

[7] Bergische Universität Wuppertal (2011): Herstellung einer intelligenten Folie auf der Basis des molekularen Schalters Spiropyran. Internet: http://www.chemiedidaktik.uni-wuppertal.de/files/material/worksheets/krees/bildanleitung-sp-ps-folie-de-online.pdf. (Letzter Zugriff: 29.08.2015).

[8] Wikipedia (2017): Molekül. Internet: https://de.wikipedia.org/wiki/Molek%C3%BCl. (Letzter Zugriff: 10.11.2015).

[9] Chemcamp (2017): Verrückte Polymerechemie. Internet: http://www.chemie-club.de/?p=2517. (Letzter Zugriff: 04.08.2017).

[10] Krees S. (2012): Chemisches und photostationäres Gleichgewicht, Praxis der Naturwissenschaften – ChidS, 2, 2012, 61, 18–24

[11] Krees S. (2013): Bits und Bytes auf der Basis molekularer Schalter – Modellversuche zur optischen Datenspeicherung, PdN-ChidS, 8, 2013, 62, 35–41

[12] M. Tausch, S. Spinnen, M. Essers, S. Krees: Die Umgebung macht’s. Lichtabsorption und -emission von Molekülen in Lösung und in Feststoffmatrix, PdN-ChidS, 2, 2014, 63, 35–37