Die Geschichte der anorganischen Chemie in Deutschland

In dem vorliegenden Buch beschreibt Prof. Helmut Werner mit hoher Präzision den Weg der Forschung anorganischer Chemie.


In dem vorliegenden Buch beschreibt Prof. Helmut Werner mit hoher Präzision den Weg, den die anorganisch-chemische Forschung in Deutschland beginnend bei ihren Wurzeln im 17. Jahrhundert bis zum heutigen Tage nahm. Doch gleich ein Vorbehalt: Wer nun denkt, ein weiteres, allgemeinverständliches Werk in Händen zu halten, welches spannende Experimente zur allgemeinen Erbauung darbietet, irrt. Dieses Buch ist voller Erkenntnisse und Aha!-Momente für alle die unter uns Lesern, die mit fundierter naturwissenschaftlicher Grundbildung und dem Drang, die Entwicklung der anorganischen Chemie im Lichte der fachlichen, gesellschaftlichen und politischen Zusammenhänge zu verstehen, sich auf die Reise durch die Geschichte begeben. Dann wird es Ihnen wie mir ergehen, von einer Sekunde zur anderen liest sich das Buch spannend wie die Wirklichkeit. 

Prof. Helmut Werner nahm 1952 an der Universität Jena das Studium der Chemie auf. 1961 wurde er bei dem späteren Nobelpreisträger Ernst Otto Fischer in Anorganischer Chemie zur Reaktivität von Carbonylverbindungen des Nickels und des Palladiums promoviert. Er habilitierte sich an der TU München 1966 und wurde 1970 ordentlicher Professor für Anorganische Chemie an der Universität Zürich. Seit 1. Oktober 1975 war er Professor und Mitvorstand des Instituts für Anorganische Chemie an der Universität Würzburg, er wurde 2002 emeritiert.

Beginnend mit den Vorläufern der wissenschaftlichen anorganischen Chemie zeichnet das Buch nach, wie die Chemie ihre Struktur, die der Elemente, der Verbindungen und der Wechselwirkungen entwickelte. Wie sich – gleichsam aus dem Nichts heraus – Leitlinien bildeten, anhand derer strukturiert in die Tiefe geforscht wurde. Mit Döbereiner, der neben der Stöchiometrie auch die Katalyseforschung begründete, steht der erste Teil des Buches im Lichte der geschichtlichen Abfolgen, die die Zeit der Borane und Silane, die Koordinationschemie und Pionierarbeiten der Festkörperchemie darlegt. Detailliert und klar wird das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte gezeichnet und für mich, Jahrgang 1969, wird abermals klar, wie tief die Politik in die Wissenschaft eingriff – aber auch wie sich Wissenschaftler dagegen zu wehren versuchten. Es folgen die Jahre des Wiederaufbaus in einer zerstören Forschungslandschaft – Werner beschreibt, welchen Willen es bedurfte, hieraus wieder aktive Forschung und Lehre entstehen zu lassen. Von da an ging es aufwärts, durch Verbindungen der Edelgase, durch Organometallchemie und durch die Wirren der DDR bis in die Jahrtausendwende mit der Clusterchemie und der bioanorganischen Chemie.

Im zweiten Teil werden alle deutschen Universitäten beleuchtet, an denen Chemie gelehrt wird. Für mich persönlich sehr spannend ist das Kapitel über Erlangen-Nürnberg, da ich die Vorlesungen von Prof. Brodersen und Prof. Sellmann hören durfte, sowie die von Prof. van Eldik und in diesen Fachgebieten auch geprüft wurde. Die eigene Geschichte, die Zusammenhänge zwischen den Universitäten und Entwicklungen nach den Orten ergibt ein interessantes Bild. 

Jedem interessierten Chemiker und wissenschaftshistorisch interessieren Leser kann ich das Buch nur empfehlen – es findet sich die Geschichte der anorganischen Chemie in Deutschland im Ganzen und man findet vielleicht auch ein Stück seiner eigenen Geschichte verbunden mit den Namen, die die anorganische Chemie  an den jeweiligen Universitäten geprägt haben.

Helmut Werner, Geschichte der anorganischen Chemie, Wiley-VCH, Januar 2017, 688 Seiten, 99 €, e-Book 88,99 €