In Städten findet Evolution statt

Oft werden die Städte als Gefährdung der Natur oder zumindest nicht als Teil derselben angesehen. Menno Schilthuizen, Professor für Evolutionsbiologie an der Universität Leiden, hingegen bietet einen erfrischend anderen Ansatz.

Oft werden die Städte als Gefährdung der Natur oder zumindest nicht als Teil derselben angesehen. Menno Schilthuizen, Professor für Evolutionsbiologie an der Universität Leiden, hingegen bietet einen erfrischend anderen Ansatz.Er versteht den Menschen als „Mutter Naturs ultimativen Ökosystem-Ingenieur“, der das Ökosystem in seinem Lebensraum auf ähnliche Art und Weise beeinflusst wie eine Ameisenkolonie in ihrem Ameisenhaufen. So wie es dort als Mitbewohner myrmekophile „Ameisenfreunde“ gibt, gibt es auch im städtischen Ökosystem anthropophile „Menschenfreunde“. Und genau diesen und deren Evolution widmet sich dieses Buch.

So macht man beispielsweise schon in der Einleitung Bekanntschaft mit der Londoner U-Bahn-Stechmücke, die sich nicht nur von ihren überirdischen Verwandten, sondern auch von U-Bahn-Linie zu U-Bahn-Linie unterscheidet. Wie der Speiseplan so manchen Stadtbewohners aussieht, kann dagegen der Mageninhalt eines Fuchses zeigen: neben Hagebutten, Kaninchen und Äpfeln findet sich dort auch schonmal ein Döner Kebap oder Kirschen in dickem Sirup.

Der Einfluss der Menschen reicht aber weiter als nur auf die Ausgestaltung der Rahmenbedingungen des Ökosystems. Durch Ballastwasser von Schiffen, Pflanzen in Ziergärten oder auch aus der Motivation „Brüssel könne mehr Farbe gebrauchen“ verbreiten sich Exoten wie in letzterem Fall Wellensittiche über den Globus. Sie lösen somit nicht nur die „Nahbegegnungen erster Art“ zwischen evolvierender Art und statischem Umfeld aus, sondern auch „Nahbegegnungen zweiter Art“ zwischen zwei potenziell evolvierenden Arten. Das kann dann dazu führen, dass in Südfrankreich nicht einheimische Welse in Orca-Manier Jagd auf genauso fremde Felsentauben machen.

Schilthuizens Vision für „Darwin City“ beschreibt eine sowohl für uns Menschen als auch für unsere anthropophilen Kollegen lebenswerte Stadt, die sich Anpassung und Evolution jedoch nicht kategorisch verschließt.
Der Autor schreibt sprachlich gewitzt, fachlich gut und stets für den evolutionsbiologisch unwissenden Leser verständlich. Gleichzeitig bietet er eine Sichtweise auf die urbane Natur, die einen nicht verzweifeln lässt angesichts der massiven Einflüsse
der Menschheit auf ihre Umgebung. Stattdessen fügen sich die Prozesse in das große Ganze der Evolutionsgeschichte nahtlos ein.

Menno Schilthuizen, „Darwin in der Stadt“, dtv, 2. Auflage, 2019, 368 Seiten, Hardcover 22 €, E-Book 19,99 €